Mein täglicher Balanceakt
Hier erfahren Sie…
- … dass es keine einfache Antwort auf die alltägliche Frage gibt, ob Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung trotz Krankheitsgefühl arbeiten gehen oder nicht.
- … wie Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung die Entscheidung, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten (oder nicht), treffen.
Manchmal ist es gar nicht so einfach zu entscheiden, ob es für die eigene Gesundheit zuträglich ist, an einem bestimmten Tag zu arbeiten oder lieber nicht. Gerade, wenn Sie sich krank fühlen und schwanken, ob Ihnen Arbeit heute guttun oder Ihrer Gesundheit eher schaden würde, befinden Sie sich in einem schwierigen Abwägungsprozess. Der Begriff Präsentismus beschreibt das Verhalten, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten. Und dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe.
"Meine Arbeit lässt mich meine chronische Krankheit oftmals vergessen. Ohne meine Arbeit würde es mir psychisch sehr viel schlechter gehen." - Teilnehmer*in der Studie
"Meine Arbeit bedeutet mir viel, da ich glaube, dass es jedem Menschen besser geht, wenn er eine Verbindung zu seinen Fähigkeiten hat und diese auch nutzen und einbringen kann." - Teilnehmer*in der Studie
Diese Zitate von Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung aus unserer Studie zeigen beispielhaft auf, dass Arbeit guttun kann. Weitere Ergebnisse zu Motiven, die in unserer Studie Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung dazu motivieren, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten, finden Sie hier.
Gleichzeitig gibt es auch Gründe, sich dagegen zu entscheiden. Hier zeigt die Forschung, dass Präsentismus mit geringerer Produktivität, längeren Krankheitsverläufen und einem höheren Risiko für Burnout oder chronischen Beschwerden verbunden sein kann (Dietz et al., 2025, Schnabel, 2022; Skagen & Collins, 2016). Mehrere Teilnehmer*innen unserer Studie beschreiben, dass sich die Arbeit negativ auf die eigene Erkrankung auswirkt. Auch können ansteckende Erkrankungen die Gesundheit der Kolleg*innen gefährden.
"Ich bin nur erschöpft und kaputt nach der Arbeit und kann nichts anderes tun als mich auszuruhen." - Teilnehmer*in der Studie
"Manchmal bedeutet Arbeit auch einfach nur Stress, der sich dann auch mal negativ auf meine Erkrankung auswirkt." - Teilnehmer*in der Studie
Wie kommen Sie also zu einer Entscheidung, wenn Sie überlegen, ob Sie an einem Tag trotz Krankheitsgefühl arbeiten (oder nicht)? Sprechen Sie mit anderen Personen darüber, so bekommen Sie widersprüchliche Empfehlungen oder Anregungen. Auch wird es tatsächlich an manchen Tagen positiv für Ihre Gesundheit sein und an anderen eher negativ. So ist es ein tägliches „Für und Wider", an einem bestimmten Tag trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten.
Wie entscheiden Mitarbeitende, ob sie trotz Krankheitsgefühl arbeiten?
Die Entscheidung ist situativ und individuell. In unserer Studie haben wir Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung gefragt: „Woran machen Sie fest, ob Sie heute arbeiten oder sich krankmelden?"
Die Antworten bündeln sich zu verschiedenen Entscheidungswegen und Motiven. Folgend sind beispielhaft Aussagen dargestellt. Sie beschreiben, wie Menschen abwägen und welche Faktoren ihre Entscheidung an einem bestimmten Tag prägen.
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Medizinische Entscheidung (Fieber/Ansteckung)
„Wenn ich Fieber habe, bleibe ich daheim."
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Funktionsgrenzen (Konzentration, Schmerz, Mobilität, Fahrtüchtigkeit)
„Wenn ich mich nicht konzentrieren kann oder starke Schmerzen habe, melde ich mich krank."
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Arbeitsanforderungen & Verantwortung (Termine, Deadlines, Vertretung)
„Ich möchte meine Kolleginnen nicht im Stich lassen."
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Flexibler Modus (erst einmal versuchen und gegebenenfalls abbrechen, Homeoffice)
„Ausprobieren. Wenn es dann doch nicht geht, kann ich immer noch abbrechen."
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Ökonomie & Jobsicherheit (finanzielle Zwänge)
„Ich habe keine Wahl … ich muss arbeiten, Krankheit kostet Geld."
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Struktur & Entlastung (Arbeit als Stabilisierung/Ablenkung)
„Die Arbeit lenkt ab, dann wird es besser."
Wenn Sie die unterschiedlichen Beweggründe einmal durchgehen, können Sie überlegen, welche bei Ihnen eine Rolle spielen: Was führt bei Ihnen dazu, dass Sie an einem bestimmten Arbeitstag trotz Krankheitsgefühl arbeiten?
Mit unserem Arbeitsblatt können Sie Ihren eigenen Balanceakt reflektieren und eintragen, wie Sie von Personen aus Ihrem Umfeld in dieser Frage „beraten" werden. Denn: Unser soziales Umfeld prägt unsere Entscheidungen. Und die Entscheidungen beeinflussen unser soziales Umfeld und natürlich Sie selbst.
Keine einfache Antwort
Ob Sie an einem bestimmten Tag trotz Krankheitsgefühl arbeiten, lässt sich nicht einfach beantworten. Es ist eine individuelle Entscheidung, die nur Sie selbst treffen können.
Wir möchten Sie dazu ermutigen, eine rundum stimmige Entscheidung zu treffen und bieten daher auf der Seite Meine Gedanken ordnen weitere Impulse dazu. Beachten Sie dabei: Wenn Sie krankgeschrieben, sehr erschöpft oder ansteckend sind, sollten Sie auf jeden Fall zu Hause bleiben, um sich zu schützen und andere nicht zu gefährden.
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Dietz, C., Weigelt, O., Meyer, B., & Syrek, C. J. (2025). It's getting kind of heavy—Linking episodes of sickness presence to changes in fatigue over time. Journal of Occupational Health Psychology, 30(5), 309–330. https://doi.org/10.1037/ocp0000411
Schnabel, C. (2022). Presenteeism at the workplace (IZA World of Labor 495). https://wol.iza.org/articles/presenteeism-at-the-workplace/long
Skagen, K. & Collins, A. M. (2016). The consequences of sickness presenteeism on health and wellbeing over time: a systematic review. Social Science & Medicine, 161, 169–177. https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2016.06.005
Zitation
Niehaus, M., Heide, M., Danner, M., Grupe, C., Knieling, A.-S. & Staufenbiel, K. (2025). Mein täglicher Balanceakt. AmiChro – Arbeiten mit chronischer Erkrankung. https://arbeiten-jaodernein.de/perspektive-mitarbeitende/mein-taeglicher-balanceakt.html