Hier erfahren Sie…

  • … dass Präsentismus bei Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung häufig vorkommt.
  • … wie komplex das Phänomen Präsentismus ist, das sich weder eindeutig als positiv noch negativ bewerten lässt.

Die Entscheidung, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten oder sich auszukurieren, fällt vielen Menschen schwer – sowohl emotional als auch praktisch. Fragen wie „Stecke ich andere an?" oder „Wer übernimmt meine Aufgaben?" stehen dabei im Vordergrund und erzeugen oft erheblichen Druck.

Der Begriff Präsentismus beschreibt das Verhalten, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten. Im Gegensatz dazu ist Absentismus das Fernbleiben und Abmelden von der Arbeit aus krankheitsbedingten oder anderen Gründen.

Für Mitarbeitende geht es nicht nur um das Pflichtgefühl, sondern auch um die Sorge vor negativen Konsequenzen. Wer möchte sich schon mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, „blau zu machen"? Gleichzeitig kann Erholung entscheidend für die eigene Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit sein.

Auch Unternehmen stehen in einem Spannungsfeld: Sie brauchen einen verlässlichen und effizienten Personaleinsatz. Gleichzeitig bringt Präsentismus aber auch finanzielle Risiken mit sich. Wenn Mitarbeitende trotz Krankheitsgefühl arbeiten, können sich Krankheitsverläufe verlängern, Fehler häufen und es besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr im Team.

Sowohl Präsentismus als auch Absentismus sind Herausforderungen im Umgang mit Krankheit am Arbeitsplatz. Beide Phänomene verursachen betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten. Es bedarf Sensibilisierung und gezielter Maßnahmen, um mit diesen Phänomenen im Arbeitsleben umzugehen. Die Forschung zeigt, dass insbesondere Präsentismus, das Arbeiten trotz Krankheitsgefühl, langfristig mit schädlichen gesundheitlichen Konsequenzen für Mitarbeitende oder mit langandauernder Erschöpfung einhergeht und auch mit geringerer Produktivität bei erhöhter Fehlerquote (Dietz et al., 2025, Skagen & Collins, 2016).

Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung und Präsentismus

Viele Menschen fühlen sich bei akutem Krankheitsgefühl überfordert von der Frage: „Arbeiten- ja oder nein?". Für Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung stellt sich diese Frage häufiger, da Krankheitsgefühle zum Alltag gehören. Das zeigt auch eine Studie zu Präsentismus im Homeoffice (Niehaus & Schmitz, 2025).

Unsere Befragung bestätigt dieses Bild:

Wir haben Mitarbeitende mit chronischen Erkrankungen befragt. 82,5 Prozent gaben an, sich im letzten Monat an mindestens einem Arbeitstag krank gefühlt zu haben. Von diesen Mitarbeitenden berichteten wiederum 95 Prozent, dass sie im letzten Monat mindestens an einem Tag trotz Krankheitsgefühl gearbeitet haben. In der folgenden Abbildung werden diese Ergebnisse illustriert dargestellt. Die Werte unterstreichen die Relevanz des Themas im Arbeitsalltag von Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung.

Orangenes Kreisdiagramm zeigt, dass 95 Prozent der befragten Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung, die sich im letzten Monat an mindestens einem Arbeitstag krank gefühlt haben, trotz Krankheitsgefühl gearbeitet haben.

Arbeiten trotz Krankheitsgefühl bei Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung

Zum Vergleich: In einer repräsentativen Studie der Techniker Krankenkasse (TK) gaben 58,1 Prozent der Befragten an, dass sie zumindest gelegentlich zur Arbeit gehen, obwohl sie sich krank fühlen (Walter et al., 2022). Der deutlich höhere Wert in unserer Erhebung zeigt, dass Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung erheblich häufiger als die Allgemeinbevölkerung trotz Krankheitsgefühl arbeiten.

Präsentismus ist keine Randerscheinung, sondern für Einzelne, für die Arbeitsgruppe, für Personaler*innen und Führungskräfte und letztendlich für das gesamte Unternehmen relevant.

Führungskräfte mit chronischer Erkrankung und Präsentismus

Auch Führungskräfte mit chronischer Erkrankung stehen regelmäßig vor der Entscheidung, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten. Dazu liefert unsere Studie klare Hinweise: 94 Prozent der befragten Führungskräfte gaben an, im letzten Monat an mindestens einem Tag trotz Krankheitsgefühl gearbeitet zu haben. 52 Prozent arbeiteten sogar trotz schwerer bis extrem schwerer Symptome. Rund ein Fünftel bewertete die Entscheidung, arbeiten zu gehen, als positiv.

Drei Kreisdiagramme veranschaulichen Ergebnisse für die befragten Führungskräfte mit chronischer Erkrankung, die sich im letzten Monat mindestens an einem Arbeitstag krank gefühlt haben. 94 Prozent haben trotz Krankheitsgefühl gearbeitet, 52 Prozent auch bei schweren bis extrem schweren Symptomen und 20 Prozent bewerten ihre Entscheidung, krank gearbeitet zu haben, im Nachhinein als positiv.

Präsentismus bei Führungskräften mit chronischer Erkrankung

Anzumerken ist, dass Forschungsarbeiten aber immer wieder vor mittelfristigen gesundheitlichen und leistungsbezogenen Folgen wie Leistungseinbußen durch Erschöpfung warnen.

Spannungsfeld Präsentismus

Präsentismus wird in der Forschung häufig als problematisches Phänomen betrachtet. Doch ist Präsentismus zwangsläufig negativ? Gerade für Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung ist die Situation komplexer. Hier kann die Entscheidung, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten, auch Ausdruck von Ablenkung, Normalität oder sozialer Teilhabe sein. So beschreibt beispielsweise Bettina Hauge (2016), dass Menschen mit Krebserkrankung durch ihre Arbeit Zukunftsaussichten gewinnen können. Diese Idee verfolgt auch das Projekt „PRO*ACTIVE" der Medizinischen Hochschule Hannover: Patient*innen mit Depressionen sollen in therapeutischer Begleitung davon profitieren, beruflich frühzeitig wieder einzusteigen (Götting, 2025).

Unsere Befragung macht deutlich: Präsentismus ist kein einheitliches Phänomen, sondern ein Spannungsfeld mit unterschiedlichen Motiven. Im Folgenden werden die acht häufigsten Motive gelistet, welche in unserer Studie Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung dazu motivieren, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten.

Tabelle mit den acht häufigsten Gründen, warum die Befragten im letzten Monat trotz Krankheitsgefühl gearbeitet haben. Am häufigsten genannt wurden: wichtige Aufgaben oder Termine (70 Prozent), Rücksicht auf Kolleg*innen (53,1 Prozent), Entschlossenheit weiterzumachen (51,2 Prozent) und Verantwortungsgefühl (50,6 Prozent). Weitere Gründe waren der Wunsch, stärker als die Erkrankung zu sein (50,4 Prozent), zu viele Aufgaben (44,5 Prozent), das Bedürfnis nach Normalität (42,8 Prozent) und fehlende Vertretung (42,7 Prozent).

Häufigste Motive für Präsentismus bei Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung

Die Entscheidung, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten, sollte individuell betrachtet werden. Unter „Perspektive Mitarbeitende" finden Menschen mit chronischer Erkrankung Anregungen zur Selbstreflexion und zur individuellen Entscheidungsfindung.

Die Auseinandersetzung mit Präsentismus betrifft nicht nur Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung. Die Frage „Arbeiten – ja oder nein?" hat Folgen sowohl für die Mitarbeitenden selbst, als auch für Kolleg*innen, Führungskräfte, die Unternehmen und letztlich auch für die Gesellschaft.

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Dietz, C., Weigelt, O., Meyer, B., & Syrek, C. J. (2025). It's getting kind of heavy—Linking episodes of sickness presence to changes in fatigue over time. Journal of Occupational Health Psychology, 30(5), 309-330. https://doi.org/10.1037/ocp0000411

Götting, T. (2025). Trotz Depressionen schnell zurück an den Arbeitsplatz. Medizinische Hochschule Hannover. https://www.mhh.de/presse-news-detailansicht/trotz-depressionen-schnell-zurueck-an-den-arbeitsplatz

Hauge, B. (2016). Re-designing the everyday; The use and perception of time among cancer patients combining work and treatment. Time & Society, 25, 193-212. https://doi.org/10.1177/0961463X15577255

Niehaus, M. & Schmitz, H. (2025). Krank zur Arbeit? – Wie Beschäftigte im Homeoffice entscheiden. Wirtschaftspsychologie aktuell, 3.

Skagen, K. & Collins, A. M. (2016). The consequences of sickness presenteeism on health and wellbeing over time: a systematic review. Social Science & Medicine, 161, 169–177. https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2016.06.005

Walter, U. N., Beer, M., Hopf, M. V., Möller, M., Grobe, T. G. & Bessel, S. (2022). Dossier 2022 – Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt: Datenanalyse und aktuelle Studienlage. Techniker Krankenkasse.

Zitation

Niehaus, M., Heide, M., Danner, M., Grupe, C., Knieling, A.-S. & Staufenbiel, K. (2025). Arbeiten trotz Krankheitsgefühl. AmiChro – Arbeiten mit chronischer Erkrankung. https://arbeiten-jaodernein.de/gut-zu-wissen/arbeiten-trotz-krankheitsgefuehl.html