Projektbeschreibung
Mehr als ein Drittel der Erwerbstätigenbevölkerung in Deutschland lebt mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung (Eurofound, 2019).
Die Relevanz des Themas „Arbeiten mit chronischer Erkrankung" ist also unübersehbar. Dennoch begegnen Beschäftigte mit chronischer Erkrankung bei ihrer Arbeit häufig Bedingungen, die ihrer Gesundheit nicht zuträglich sind und die eine gleichberechtigte Teilhabe erschweren.
Chronische Erkrankungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf den Arbeitsalltag
Entsprechend der individuellen Umstände – zum Beispiel Krankheitsart, Krankheitsverlauf, Krankheitsphase und auch Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz – kann eine chronische Erkrankung (nahezu) keine oder aber sehr starke Auswirkungen auf den Arbeitsalltag haben. Beispielsweise kann – je nach Art der Erkrankung – die Intensität und Dauer der Symptome stark schwanken. Bei manchen Erkrankungen treten fast nie oder nur zeitweise leichte Symptome auf, während diese bei anderen Erkrankungen in bestimmten Phasen sehr intensiv vorhanden sind und den Arbeitsalltag demensprechend stark beeinflussen können (Jansen, 2022).
Fest steht: Im Durchschnitt sind Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen im Arbeitsalltag häufiger gesundheitlichen Beschwerden ausgesetzt als Beschäftigte ohne chronische Erkrankungen (Schmidt & Schröder, 2010; Zok, 2008). Dementsprechend stehen Menschen mit chronischen Erkrankungen häufiger vor der Abwägung, ob sie arbeiten können oder sich krankmelden sollen. Hierbei können im Kontext von chronischen Erkrankungen Fragen aufkommen, wie „Wann bin ich denn so krank, dass ich nicht mehr arbeiten kann?" oder „Wann bin ich noch gesund genug?".
Dieser (teilweise schwierige) Abwägungs- und Entscheidungsprozess bei akuten gesundheitlichen Beschwerden – Heute Arbeiten: Ja oder Nein? – bildet den inhaltlichen Schwerpunkt des Projekts.
Arbeiten trotz Krankheitsgefühl bei chronischer Erkrankung
Studien legen dabei nahe, dass sich Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen häufiger entscheiden, trotz gesundheitlicher Beschwerden zu arbeiten, als Menschen ohne chronische Erkrankungen (Cook, 2022; Zok, 2008).
Bei der Entscheidung für das Arbeiten können verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Studien zeigen, dass zentrale Aspekte des Arbeitslebens von Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen, zum Beispiel die Arbeitszeiten und -bedingungen, aber auch die Bedeutung von Arbeit, die Tabuisierung der Krankheit oder die Angst vor Stigmatisierung, den Entscheidungsprozess beeinflussen können (Beatty & McGonagle, 2018; Bauer, Chakraverty & Niehaus, 2015).
Es fehlen Untersuchungen dazu, wann das Arbeiten trotz gesundheitlicher Beschwerden bei Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen ein gutes und funktionales Verhalten sein kann und wann es als dysfunktionales Verhalten gesundheitsgefährdend ist.
Weitere Informationen zum Thema „Arbeiten trotz Krankheitsgefühl" finden Sie hier.
Die Fragestellungen des Projekts
Im Projekt wurden daher folgende Fragestellungen untersucht:
- Welche Auswirkungen haben chronische Erkrankungen im Arbeitsleben?
- Welche Ressourcen stärken Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen im Arbeitsleben?
- Welche Umstände und Motive tragen dazu bei, dass Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen trotz gesundheitlicher Beschwerden arbeiten und welche führen dazu, dass sie sich krankmelden?
- Wie setzen Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen individuell die Schwelle zwischen Arbeitsfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit?
- Wie hängt die Entscheidung, trotz gesundheitlicher Probleme zu arbeiten, mit der wahrgenommenen Gesundheit und Leistungsfähigkeit zusammen?
Die Antworten auf diese Fragen finden Sie auf dieser Website. Als PDF finden Sie die Handlungshilfe hier.
Projektziel
Das übergeordnete Anliegen des Projektes ist es, den Arbeitsalltag für Menschen mit chronischen Erkrankungen nachhaltig zu verbessern. Dazu braucht es umfassende Sensibilisierung und konkrete Hilfestellungen – sowohl für Beschäftigte mit chronischer Erkrankung als auch für Unternehmen.
Ablauf des Projekts
Das Projekt ist in mehrere Schritte unterteilt:
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Systematische Literaturrecherche
Zunächst wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, um wissenschaftliche Erkenntnisse – also den aktuellen Stand der Forschung – zu den zentralen Projektfragestellungen zu gewinnen. Auch wurden Erfahrungen zu dem Thema innerhalb der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe gesammelt.
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Befragung von Beschäftigten mit chronischen Erkrankungen
Im März 2025 wurde eine Online-Befragung mit Beschäftigten mit chronischer Erkrankung durchgeführt. Hier wurden Beschäftigte mit chronischer Erkrankung zum Arbeiten mit chronischer Erkrankung, zu Unterstützungsmöglichkeiten und zu Ressourcen sowie zur Frage, wann gehe ich trotz Krankheitsgefühl arbeiten und wann nicht, befragt. Es haben 1.175 Beschäftigte teilgenommen.
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Entwicklung einer digitalen Handlungshilfe für Unternehmen
Basierend auf den Erkenntnissen der systematischen Literaturrecherche und der durchgeführten Erhebung wurde eine Handlungshilfe für Unternehmen und Beschäftigte mit chronischen Erkrankungen entwickelt. Die digitale Handlungshilfe finden Sie auf dieser Website, als PDF-Datei können Sie die Handlungshilfe hier herunterladen.
Teilnehmende und soziodemografische Merkmale
An der Befragung nahmen insgesamt 1.176 Beschäftigte mit chronischer Erkrankung teil. Die Teilnehmenden unterschieden sich hinsichtlich ihres Alters, Geschlechts, Beschäftigungsumfang sowie Art ihrer Erkrankung. So lag beispielsweise die Altersspanne zwischen 20 und 67 Jahren mit einem durchschnittlichen Alter von 46 Jahren. 79 Prozent der Befragten beschrieben sich als weiblich, 20 Prozent als männlich, 1 Prozent als divers oder bevorzugten keine Angabe. 44 Prozent der befragten Beschäftigten haben einen Grad der Behinderung (GdB) zwischen 50 und 100. 10 Prozent haben einen GdB von mindestens 30 Prozent sowie eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Bei 45 Prozent der Befragten liegt keine Schwerbehinderung vor, da der Grad der Behinderung niedriger als 50 eingestuft, keine Behinderung festgestellt oder keine Feststellung beantragt wurde. 52 Prozent arbeiten in einer Vollzeitbeschäftigung, 48% in einer Teilzeitbeschäftigung. Rund 25,3% der Befragten sind Führungskräfte.
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Bauer, J. F., Chakraverty, V. & Niehaus, M. (2017). Betriebliche Inklusion: Arbeitnehmer mit dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma. Public Health Forum, 25, 315–317. https://doi.org/10.1515/pubhef-2017-0054
Beatty, J. E. & McGonagle, A. K. (2018). Chronic health conditions and work identity from a lifespan development frame. In S. Werth & C. Brownlow (Hrsg.), Work and identity (S. 9–22). Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-319-73936-6_2
Cook, S. & Zill, A. (2022). Präsentismus bei CED und die Veränderungen in der Coronazeit. Bauchredner, 16–21.
Eurofound. (2019). How to respond to chronic health problems in the workplace? Publications Office of the European Union. https://www.bollettinoadapt.it/wp-content/uploads/ef19008en.pdf
Jansen, A. (2022). Business as usual, Karrierebremse oder "Karriere-Killer": Der Einfluss chronischer Erkrankungen auf den Erwerbs- und Einkommensverlauf (IAQ-Report 2022(07)). Universität Duisburg-Essen.
Schmidt, J. & Schröder, H. (2010). Präsentismus – Krank zur Arbeit aus Angst vor Arbeitsplatzverlust. In B. Badura, J. Klose, K. Macco & H. Schröder (Hrsg.), Arbeit und Psyche: Belastungen reduzieren – Wohlbefinden fördern (S. 93–100). Springer Berlin Heidelberg.
Zok, K. (2008). Krank zur Arbeit: Einstellungen und Verhalten von Frauen und Männern beim Umgang mit Krankheit am Arbeitsplatz. In B. Badura, H. Schröder & C. Vetter (Hrsg.), Arbeit, Geschlecht und Gesundheit: Geschlechteraspekte im betrieblichen Gesundheitsmanagement (S. 121–144). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-72544-2_8
Zitation
Niehaus, M., Heide, M., Danner, M., Grupe, C., Knieling, A.-S. & Staufenbiel, K. (2025). Projektbeschreibung. AmiChro – Arbeiten mit chronischer Erkrankung. https://arbeiten-jaodernein.de/projekt/projektbeschreibung.html