Kolleg*innen
Hier erfahren Sie…
- … wie Kolleg*innen das Wohlbefinden von Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung beeinflussen: Soziale Unterstützung kann entlasten, Sicherheit geben und Zugehörigkeit stärken, während unausgesprochene Erwartungen oder Teamnormen ungewollt Druck erzeugen und belastend wirken können.
- … was Kolleg*innen konkret zu einer gesundheitsförderlichen Zusammenarbeit beitragen können: Belastungssignale wahrnehmen, offen und respektvoll kommunizieren, Krankmeldungen akzeptieren, flexibel unterstützen und durch klare Vertretungsregelungen Druck aus dem Team nehmen.
Sind Sie sich bewusst, dass Sie einen Einfluss auf die Gesundheit Ihrer Kolleg*innen haben? Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz haben großen Einfluss darauf, wie Mitarbeitende mit Krankheit umgehen. Ein zentrales Konzept ist dabei die soziale Unterstützung. Sie beschreibt den Rückhalt durch andere - sei es praktisch durch Hilfe im Alltag, emotional durch Verständnis oder strukturell durch Entlastung. Forschung zeigt, dass soziale Unterstützung das psychische und körperliche Wohlbefinden stärkt und die negativen Folgen von Stress abmildern kann (Hermann, 2020).
Kolleg*innen spielen eine zentrale Rolle. Sie können Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung im Arbeitsalltag stärken, aber auch - häufig unbewusst - Druck erzeugen. Studien weisen darauf hin, dass genau diese Ambivalenz entscheidend dafür ist, ob Menschen trotz Krankheit arbeiten oder sich krankmelden (Munir et al., 2008; Nelson et al., 2016; Yusoff et al., 2021).
Unterstützung durch Kolleg*innen
Mitarbeitende fühlen sich respektiert und wertgeschätzt, wenn Kolleg*innen Verständnis zeigen und im Alltag entlasten. Dazu gehört etwa das flexible Einspringen bei kurzfristigen Engpässen oder kleine Anpassungen von Aufgaben an individuelle Bedürfnisse. Dies umfasst auch ein Verständnis für mögliche, mit einer chronischen Erkrankung einhergehende Herausforderungen (Jones & King, 2014; Santuzzi et al., 2019). Solche Formen der Unterstützung geben Sicherheit, fördern Zugehörigkeit und helfen, mit den zusätzlichen Belastungen besser umzugehen. Sie können zudem dazu beitragen, dass Mitarbeitende ihre Entscheidung, an einem bestimmten Tag zu arbeiten oder nicht, unabhängiger und gesünder treffen können.
Teamklima und Inklusion
Zugleich kann das soziale Umfeld das Arbeiten trotz Krankheitsgefühl auch begünstigen. Mitarbeitende entscheiden sich häufig in Abhängigkeit von Kolleg*innen dafür, krank zur Arbeit zu gehen, zum Beispiel, um niemanden im Team zusätzlich zu belasten. Besonders bei knappen Deadlines oder engem Personalschlüssel entsteht schnell der Eindruck, dass die eigene Abwesenheit für die Kolleg*innen herausfordernd würde.
Hier spielt das Teamklima eine zentrale Rolle: Wenn es in einer Organisation als selbstverständlich gilt, trotz Krankheit zu erscheinen, wird Abwesenheit leicht als mangelndes Engagement interpretiert. Manche Mitarbeitende verschweigen ihre Erkrankung, um „keine Probleme zu machen". Ein wertschätzendes Teamklima, das Zugehörigkeit ermöglicht und Offenheit nicht sanktioniert, erleichtert daher den gesundheitsgerechten Umgang mit Krankheit im Arbeitsalltag (Chakraverty et al., 2023).
Ambivalente Wirkung von Kolleg*innen
Die Rolle von Kolleg*innen ist damit zweischneidig: Einerseits stellen sie eine zentrale Ressource dar, indem sie Rückhalt geben und Aufgaben teilen. Andererseits können sie durch unausgesprochene Erwartungen oder implizite Normen auch Druck erzeugen, krank zu arbeiten. Ausschlaggebend ist ein wertschätzendes Teamklima, das gemeinsam von Kolleg*innen, Führungskräften und betrieblichen Interessenvertretungen gestaltet wird.
Unsere Ergebnisse
- Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung, die eine höhere Unterstützung durch Kolleg*innen wahrnehmen, erleben das Arbeiten trotz Krankheitsgefühl tendenziell eher als gesundheitsförderlich und stabilisierend.
- Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung, die eine geringe Unterstützung durch Kolleg*innen wahrnehmen, erleben das Arbeiten trotz Krankheitsgefühl tendenziell eher als gesundheitsschädlich und leistungsbeeinträchtigend.
Was Kolleg*innen konkret tun können
Als Kolleg*in haben Sie Einfluss darauf, wie Menschen mit chronischer Erkrankung ihre Arbeit erleben. Wichtig ist, aufmerksam zu sein und offen mit Belastungen umzugehen. Dazu gehören zum Beispiel: Signale wahrnehmen, wenn jemand überlastet wirkt oder krank erscheint, und Unterstützung anbieten. Krankmeldungen sollten respektiert und nicht infrage gestellt werden. Hilfreich ist es außerdem, wenn im Team klare Vertretungsregelungen bestehen, sodass niemand das Gefühl hat, andere im Stich zu lassen.
Wenn Kolleg*innen Rücksicht nehmen, offen miteinander sprechen und einander unterstützen, tragen sie entscheidend dazu bei, dass Arbeit für Menschen mit chronischer Erkrankung nicht zur zusätzlichen Belastung wird, sondern im besten Fall sogar eine Ressource bleibt.
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Chakraverty, V., Zimmer, H. & Niehaus, M. (2023). Mittendrin oder nur dabei? Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O, 67(1), 44–58. https://doi.org/10.1026/0932-4089/a000392
Hermann, C. (2020). Soziale Unterstützung. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Lexikon der Psychologie (19. Aufl.). Hogrefe.
Jones, K. P. & King, E. B. (2014). Managing concealable stigmas at work: A review and multilevel model. Journal of Management, 40(5), 1466–1494. https://doi.org/10.1177/0149206313515518
Munir, F., Yarker, J. & Haslam, C. (2008). Sickness absence management: Encouraging attendance or "risk-taking" presenteeism in employees with chronic illness? Disability and Rehabilitation, 30(19), 1461–1472.
Nelson, C. C., Shaw, W. & Robertson, M. (2016). Supervisors and presenteeism: How do supervisors accommodate and support skilled workers with chronic health concerns? Employee Responsibilities and Rights Journal, 28(4), 209–223. https://doi.org/10.1007/s10672-015-9275-4
Santuzzi, A. M., Waltz, P. R., Finkelstein, L. M. & Rupp, D. E. (2014). Invisible disabilities: Unique challenges for employees and organizations. Industrial and Organizational Psychology, 7(2), 204–219. https://doi.org/10.1111/iops.12134
Yusoff, H. M., Sobri, H. N. M. & Sundaram, V. (2021). Health behavior and presenteeism among employees with chronic health conditions. American Journal of Health Behavior, 45(6), 1016–1030. https://doi.org/10.5993/AJHB.45.6.6
Zitation
Niehaus, M., Heide, M., Danner, M., Grupe, C., Knieling, A.-S. & Staufenbiel, K. (2025). Kolleg*innen. AmiChro – Arbeiten mit chronischer Erkrankung. https://arbeiten-jaodernein.de/perspektive-unternehmen/kollegen.html