Hier erfahren Sie…

  • … wie Vorurteile am Arbeitsplatz die soziale und berufliche Teilhabe erschweren.
  • … dass Vorurteile gegenüber Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung widerlegt werden können.

Vorurteile sind vereinfachende Bewertungen, mit deren Hilfe wir Menschen anhand weniger Merkmale (zum Beispiel Alter, Geschlecht, Herkunft) schnell und oft unbewusst bestimmten Gruppen zuordnen.

Diese Vereinfachung birgt Gefahren: Individuelle Unterschiede werden ausgeblendet oder als „Ausnahme der Regel" abgestempelt. Werden solche Vorstellungen unreflektiert übernommen oder gesellschaftlich verstärkt, verzerren sie die Wahrnehmung und können zu Diskriminierung führen.

Für die Betroffenen hat das weitreichende Folgen: Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung erleben, dass negative Vorurteile ihre soziale und berufliche Teilhabe erschweren, sie sind häufiger mit Schuldzuweisungen konfrontiert (Corrigan, 2004; van Brakel, 2006).

Gerade deshalb ist es wichtig, solche vereinfachten Bilder kritisch zu hinterfragen. Unsere Studienergebnisse geben Denkanstöße und laden dazu ein, zwei verbreitete Vorurteile neu zu überdenken.

(Un)Sichtbarkeit chronischer Erkrankungen

Unsere Studienergebnisse zeigen: 82 Prozent der befragten Mitarbeitenden mit chronischer Erkrankung gaben an, eine nicht sichtbare oder teilweise nicht sichtbare Erkrankung zu haben. Beispiele für nicht sichtbare Erkrankungen sind etwa chronische Stoffwechselerkrankungen, psychische oder neurologische Erkrankungen.

Orangenes Kreisdiagramm mit hervorgehobenem Segment: 82 Prozent der Teilnehmenden habe eine nicht sichtbare oder teilweise nicht sichtbare chronische Erkrankung.

82% der Teilnehmenden haben eine nicht sichtbare chronische Erkrankung

Das Bild zeigt sich auch international in Studien (Kelly & Mutebi, 2023). Wenn die Erkrankung nicht sichtbar ist, werden den Menschen häufig ihre Beeinträchtigungen nicht geglaubt (Khalafbeigi et al., 2023) und sie sehen sich Vorwürfen ausgesetzt, sie würden ihre Beschwerden nur vortäuschen oder übertreiben (Tillmann, 2016).

Dieses Vorurteil schadet somit vielen Menschen mit chronischer Erkrankung. Es erschwert die soziale und berufliche Teilhabe.

Leistungsfähigkeit bei der Arbeit

In der Arbeitswelt werden chronisch erkrankte Menschen häufig mit dem Vorurteil konfrontiert, weniger leistungsfähig zu sein. Eine Studie von Kurt Pärli und Tarek Naguib (2012) zeigt, dass Bewerbungen von Personen mit chronischer Erkrankung oft abgelehnt werden, da ihnen mangelnde Leistungsfähigkeit unterstellt wird.

Dieses Vorurteil schadet, denn chronisch krank zu sein, heißt auch leistungsfähig zu sein.

"Ich bin beruflich sehr erfolgreich, und dies ist ein wichtiger Teil meiner Identität". - Teilnehmer*in der Studie

Unsere Ergebnisse zeigen ein klares Bild: Die meisten Teilnehmenden konnten im letzten Monat die wichtigsten Aufgaben (81,1%) sowie standardmäßige Abläufe (76,9%) oft oder sehr oft gut erledigen und haben oft oder sehr oft dafür gesorgt, dass ihre Aufgaben ordnungsgemäß abgeschlossen wurden (82,3%).

Balkendiagramm mit drei Aussagen zur Arbeitsleistung im letzten Monat. Jeweils über 80 Prozent der Befragten geben an, oft bis sehr oft ihre wichtigsten Aufgaben gut erledigen zu können, mit Standardmethoden erfolgreich zu arbeiten und ihre Aufgaben ordnungsgemäß abzuschließen. Wenige antworten mit manchmal oder nie bis selten.

Arbeitsleistung der Teilnehmenden im letzten Monat

Ganz gleich, ob kleines Start-up oder großes Unternehmen – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dort Mitarbeitende mit nicht sichtbaren chronischen Erkrankungen als Kolleg*innen oder beispielsweise Personalverantwortliche tätig sind. Die negativen Folgen von Vorurteilen sollten uns dazu bringen, unsere eigenen Vorstellungen zu reflektieren. Stereotype und Vorurteile sind zwar tief in uns verankert, aber veränderbar – wenn wir uns aktiv damit auseinandersetzen.

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Corrigan, P. W. (2004). How stigma interferes with mental health care. American Psychologist, 59(7), 614–625. https://doi.org/10.1037/0003-066X.59.7.614

Kelly, R. & Mutebi, N. (2023). Invisible disabilities in education and employment (POSTnote No. 689). UK Parliament. https://researchbriefings.files.parliament.uk/documents/POST-PN-0689/POST-PN-0689.pdf

Khalafbeigi, M., Yazdani, F., Genis, F., Hess, K. Y. & Kirve, S. (2023). Invisibility and diagnosis stigma: disabling factors for female adults with myalgia encephalomyelitis (ME)/chronic fatigue syndrome (CFS) in a small-scale qualitative study in England. Irish Journal of Occupational Therapy 7, 51 (2), 52–59. https://doi.org/10.1108/IJOT-08-2022-0032

Pärli, K. & Naguib, T. (2012). Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_schutz_vor_benachteilig_aufgrund_chronischer_krankheit.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Tillmann, C. E. (2016). Soziale und gesellschaftliche Risiken und Nebenwirkungen einer seltenen chronischen Krankheit. Tectum Wissenschaftsverlag.

van Brakel, W. H. (2006). Measuring health-related stigma—A literature review. Psychology, Health & Medicine, 11(3), 307–334. https://doi.org/10.1080/13548500600595160

Zitation

Niehaus, M., Heide, M., Danner, M., Grupe, C., Knieling, A.-S. & Staufenbiel, K. (2025). Vorurteilen entgegen treten. AmiChro – Arbeiten mit chronischer Erkrankung. https://arbeiten-jaodernein.de/gut-zu-wissen/vorurteilen_entgegen_treten.html