Erfahrungen Mitarbeitender mit chronischer Erkrankung
Hier erfahren Sie…
- … welche Erfahrungen Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung an ihrem Arbeitsplatz machen.
- … wie die Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende mit chronischer Erkrankung gestaltet werden können.
Das Erleben einer chronischen Erkrankung im Arbeitsalltag kann sehr unterschiedlich aussehen und ist von verschiedenen individuellen Umständen geprägt. Im Folgenden geben Betroffene persönliche Einblicke in ihr individuelles Erleben. Sie schildern, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben, als Person mit chronischer Erkrankung in einem Angestelltenverhältnis zu sein und was das für ihren Alltag bedeutet – was herausfordert und wie ihre Arbeit sie stärkt. Es geht zudem um die Frage: Angenommen, ich wache morgens auf und fühle mich krank: Wie treffe ich die Entscheidung, mich krankzumelden oder trotz Beschwerden zu arbeiten?
Als chronisch erkrankter Mensch trage ich eine besondere Verantwortung für die Leistungsfähigkeit meines Körpers in Bezug auf meinen Beruf, und die kann an jedem neuen Tag sehr individuell sein.
Ich schaue mir zum Wochenstart an, welche To-Do's in den nächsten Tagen anstehen und überlege, welche ich davon bereits heute erledigen kann. Denn: schon morgen könnte ich ausfallen. Wenn ich dann in der Nacht oder morgens merke, dass ich nicht arbeiten kann, ist die Entscheidung nie leicht. Manchmal trifft sie die Erkrankung, wenn meine Einschränkungen zu stark sind. Manchmal kann ich abwägen: welche Termine sind wann? Kann ich etwas kürzen? Mich danach hinlegen? Ist jemand auf mich angewiesen?
Je mehr ich über meine Erkrankungen weiß, desto präziser erkenne ich nahende Ausfälle, kann mein Fehlen vorbereiten und mit dem Team kommunizieren. Das verstehe ich auch unter Inklusion: nicht ich muss mich nach Kräften anpassen, sondern die Umgebung ermöglicht es mir, gleichwertig mitzumachen.
Dass ich trotz chronischer Erkrankung Vollzeit arbeiten kann bedeutet mir viel, erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass ich nicht schwerer betroffen bin, stärkt mein Selbstwertgefühl und lenkt auch ab. Oft führt es zu Kopfzerbrechen, wenn ich abwägen muss, ob ich wirklich arbeiten kann. Gut, dass ich einen verständnisvollen Chef und nette Kollegen habe. Obwohl es von betrieblicher Seite unkompliziert scheint, ist es mehr der innere Druck, möglichst 100 Prozent geben zu wollen. Wenn ich mich zur Arbeit zwinge und nach Feierabend nichts Anderes mehr schaffe, frustriert das ungemein.
Das Thema „Reha" versuche ich leider zu verdrängen und erst gar nicht anzusprechen. Als chronisch Kranker sollte ich eigentlich mehr und regelmäßiger Therapieangebote wahrnehmen, um einer weiteren Verschlechterung meines Zustands entgegenzuwirken, was mir als Vollzeitbeschäftigter fast unmöglich scheint. Flexiblere Arbeitszeiten für chronisch Erkrankte wären hier von Vorteil.
Für mich ist die Arbeit eine Säule der Therapie meiner chronischen Erkrankung, die in keiner Leitlinie zu finden ist. Auch wenn ich meinem ursprünglichen Beruf als mitarbeitender Kfz-Technikermeister nicht mehr nachgehen kann, darf ich heute von einer anderen Stelle aus meine Kollegen im Kfz-Gewerbe unterstützen und sinnvolle Arbeiten leisten.
Gerade die Erfolgserlebnisse, neue Herausforderungen und die Kontinuität, die durch das Berufsleben in meiner Krankheit für Stabilität sorgen, schützen mich häufig vor emotionaler Überforderung. Dabei ist nicht jeder Arbeitstag einfach, aber am Ende wieder ein Grund, dankbar zu sein.
Wenn ich mir einen idealen Arbeitsplatz wünschen könnte, dann würde ich genau diesen wieder wählen. Allerdings wäre es schön, wenn seitens der Sozialversicherungen entbürokratisiert würde und mit den Fachärzten krankheitsindividuelle Lösungen gefunden werden könnten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Arbeitgeber deutlich flexibler wäre als es gesetzliche Bestimmungen sind, beispielsweise in Phasen beruflicher Wiedereingliederung.
„Heute arbeiten: Ja oder Nein?" Mein Verantwortungsgefühl sagt oft „Ja", selbst wenn mein Körper „Nein" schreit.
Erst mit meiner Endometriose-Diagnose habe ich angefangen, meine Beschwerden ernst zu nehmen, nicht nur Menstruationsschmerzen, sondern auch Erschöpfung oder mentale Überlastung.
Die Entscheidung, ob ich arbeite oder mich krankmelde, treffe ich nicht leichtfertig. Ich frage mich: Wie stark sind die Beschwerden? Sind sie körperlich oder psychisch? Stehen wichtige Termine an? Kann ich vertreten werden? Und: Schaffe ich den Tag ohne Schmerzmittel? Manchmal ist Homeoffice eine gute Zwischenlösung, etwa wenn ich merke, dass ich den Weg ins Büro nicht schaffe, aber von zu Hause aus arbeitsfähig bin. Diese Flexibilität hilft mir sehr.
Ich arbeite in der öffentlichen Verwaltung, also einem Bereich, der beim Thema Gesundheit am Arbeitsplatz ein Vorbild sein sollte. Mein direktes Arbeitsumfeld weiß von meiner Erkrankung, zeigt viel Verständnis und ermutigt mich, auf mich zu achten. Trotzdem fällt es mir schwer, mich krank zu melden; nicht aus Angst, sondern weil ich gelernt habe, Leistung über Wohlbefinden zu stellen. Offenheit im Team hilft, aber strukturell fehlt es oft an Raum für Frauengesundheit.
Als Vorstandsmitglied der Endometriose-Vereinigung und Co-Leiterin einer Selbsthilfegruppe setze ich mich aktiv dafür ein, die Erkrankung sichtbar zu machen und die Bedingungen für Betroffene zu verbessern, gerade auch im Arbeitsleben. Sichtbarkeit schafft Verständnis, und Verständnis ermöglicht Veränderung. Ich wünsche mir mehr Normalität im Umgang mit Krankheit und Arbeitgebende, die Offenheit als Stärke begreifen und nicht als Risiko.